«Gaddafi wurde aus nächster Nähe erschossen»

Schüsse aus sehr kurzer Distanz sind für den Tod von Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi verantwortlich. Zu diesem Schluss kommt ein Arzt im Spital von Misrata, der Gaddafis Leiche untersuchte.
Dies könnte auf eine Hinrichtung nach der Gefangennahme hindeuten, wie der arabische TV-Sender Al-Arabija berichtete. Ein Kämpfer der Nationalrats-Milizen, stellte die Situation in einem Gespräch mit dem Nachrichtensender Al-Dschasira anders dar.

Nach einem heftigen Feuergefecht mit seinen Leibwächtern am Zugang zu dem Abwasserrohr, in dem er sich versteckt hielt, habe sich Gaddafi ohne weitere Schwierigkeiten festnehmen lassen, sagte der Milizionär Osama al-Tajib.

«Schüsse in Kopf und Brust»

«Wir übergaben ihn dem Sicherheitskomitee», führte er weiter aus. «Doch dann brach ein Gefecht zwischen den Gaddafi-Loyalisten und den Revolutionären aus.» Gaddafi sei dabei durch Schüsse an Kopf und Brust getroffen worden. «Wir legten ihn in einen Ambulanzwagen, ein Arzt machte Wiederbelebungsversuche, aber er starb.» Eine andere Version lieferte Der Chef des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, erklärte, Gaddafi sei gefangen genommen worden und später von eigenen Leuten unter Beschuss geraten, sagte er.

Gemäss Dschibril waren die Kämpfer mit Gaddafi – der sich auf einem Pritschenwagen befand – von Sirte nach Misrata unterwegs. Dabei gerieten sie unter Beschuss durch Anhänger des langjährigen Diktators. Gaddafi sei bei diesem Gefecht schwer verletzt worden.

Video zeigt lebenden Gaddafi

Er sei kurz vor der Ankunft im Spital von Misrata an dem schweren Blutverlust gestorben, erklärte der Ministerpräsident laut einem Bericht des Senders CNN. Der Ex-Machthaber sei nicht von Kämpfern zu Tode geprügelt worden.

Die «New York Times» schrieb, die offizielle Version der Regierung werde durch die kursierenden Fotos und Videos nicht gedeckt. In einem am Donnerstag aufgetauchten verwackelten Video ist zu sehen, dass Gaddafi in seiner Geburtsstadt Sirte noch lebend in die Hand der Aufständischen fiel. Das von Al-Arabija ausgestrahlte Video zeigt einen verwundeten Gaddafi. Er wird von der Kühlerhaube eines Fahrzeugs gezogen und von Milizionären umringt, die ihn wegzerren.

Gaddafi scheint dabei noch auf eigenen Beinen zu stehen und zu wanken. Sein Hemd ist blutgetränkt. Er scheint zu sprechen und seine rechte Hand zu bewegen. Auf späteren Bildern ist Gaddafi tot mit einer Schusswunde im Kopf zu sehen. Die britische BBC berichtete, Milizionäre des Übergangsrates hätten in ersten Berichten erklärt, Gaddafi sei erschossen worden, als er zu fliehen versucht habe.


Das Bild zeigt angeblich Muammar al-Gaddafi.

Trophäen herumgreicht

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte eine Untersuchung der Todesumstände. Die neue Regierung müsse mit der «Kultur des Missbrauchs» unter Gaddafi vollständig brechen und Menschenrechtsreformen durchsetzen, die das Land bitter nötig habe, hiess es.

Nach einem Bericht der «New York Times» wurde Gaddafis Leichnam in Misrata von Hunderten Menschen angeschaut. Feiernde Soldaten der Übergangsregierung gaben unterdessen die Trophäen der Festnahme von Hand zu Hand weiter – Gaddafis goldene Pistole, sein Satellitentelefon, seinen braunen Schal und einen schwarzen Stiefel.

Ausser Gaddafi wurden auch seine Söhne Saif al-Islam und Mutassim getötet, wie das staatliche Fernsehen berichtete.

Gaddafi werde in Kürze an einem unbekannten Ort nach islamischem Ritus begraben, sagte Dschibril. Was mit seinem Körper geschehe, sei «ziemlich egal, Hauptsache, er verschwindet». Offenkundig will der Übergangsrat damit verhindern, dass das Grab zu einem Wallfahrtsort für Gaddafi-Anhänger wird.

(agenturen/muei)